Nie habe ich gedacht, dass ich ein zweites Buch schreiben würde über Alkohol. Nie habe ich gedacht, dass eine zweite Trinkphase möglich ist. Nie habe ich einen Rückfall für möglich gehalten. Aber das hier ist tatsächlich eine Fortsetzung. Entscheiden sie selbst, ob es auch ein Rückfall ist. So erzähle ich also weiter über Alkohol und den Kampf gegen seine Folgen. Die sorgten diesmal für unglaubliche juristische und gutachterliche Konsequenzen. Obwohl ein Gericht ein Verfahren ohne hinreichenden Tatverdacht ablehnte, wurde mir diesmal der Führerschein auf Intervention des Staatsanwalts bei der Verkehrsbehörde, wieder entzogen. Da musste er nichts beweisen. Es reichte seine widerlegte Version der Dinge, damit die Behörde wohlwollend Bedenken erhob, die mich plötzlich beweispflichtig machten. Nur durch eine medizinisch-psychologische Begutachtung konnte ich da wieder rauskommen, trotz einer eindeutigen richterlichen Entscheidung. Dieser taktische Clou führte mich diesmal noch tiefer in ein Kuckucksnest absonderlicher Merkwürdigkeiten fern jeglicher Wahrheit, aber offizieller Realität. Mein Vertrauen in gutachterliche Präzision auf wissenschaftlicher Basis wurde zu tiefst erschüttert. Ein Höhepunkt war, dass ein Gutachter von einer tatsächlichen Trunkenheitsfahrt als Anlass für die MPU ausging. Das war bei ihm wohl bisher immer so gewesen. So sah er keinen Grund an seinen Überzeugungen aus Erfahrung zu zweifeln, in denen es einen Fall wie den meinen nicht gab. Er ging also ganz selbstverständlich von der Anwendbarkeit seiner Erfahrungen aus, so dass er es nicht für nötig erachtet hatte im Vorfeld meine Akte zu studieren. Dies ist ein Kernproblem der Begutachtung. Wenn allgemeine Annahmen erhoben werden, können die im Einzelfall in Widerspruch zur Realität stehen. Der Klient, der dann bei der Wahrheit bleibt, kann unmöglich gegen die Überzeugung des Gutachters bestehen. Glaube versetzt Berge, nicht das Wissen. Wieder fiel mir nach der Trinkphase ein alkoholfreies Leben leicht. Es war geplant und auch so eingeleitet, denn wieder war der Anlass zum Trinken ein vorübergehender Bruch mit meinem Leben. Diesmal war der Auslöser ein Unfall, der mich ausbremste. Danach hatte ich sowieso vor mein altes Leben wieder zu führen. Bei meinen Lebensprinzipien hatte sich nichts geändert. Weiterhin galt: Ich wollte meine Familie. Ich liebte meine Arbeit und meine Hobbys viel zu sehr und wollte sie pur genießen. Nur dann erlebe ich Details und Zwischentöne. In der Tiefe solcher Erlebnisse liegt die Ursache für Nachhaltigkeit und angenehme Erinnerungen. In solchen Situationen tötet Alkohol jedes Feingefühl. Das wusste ich doch so glasklar. Dieser Eindruck hatte sich doch durch die alkoholfreie Zeit nach meiner ersten Trinkphase noch verstärkt. Alkohol blieb das Substitut für die besseren Alternativen. Die Verachtung gegenüber Alkohol war sogar gewachsen. Konnte es überhaupt eine Droge geben, die mehr drauf hat? Wie bescheiden muss man werden, um dauerhaft mit Alkohol glücklich zu sein? Alkohol schafft nichts. Weiterkommen im Leben kann ich mit Alkohol nicht. Meine Gier nach Erfolg, da wo er meine Seele berührt, ist die stärkere Antriebsfeder. Das bleibt den Kicks mit Mehrfachfaktoren vorbehalten: Tiefe, Nachhaltigkeit und Entwicklungspotenzial. Nur so läuft ein Leben, das mich beeindruckt und sich nicht in einer Endlosschleife beliebiger Räusche verflüchtigt, sondern auswächst zu einer Kraft, die bewegt.
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